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Im letzten Beitrag haben wir über den Drang in der Softwarekonzeption und -entwicklung gesprochen, dem Nutzer – ähhhm – zu Neudeutsch dem »Nutzenden« all unsere Features immer präsent vor Augen zu führen. Doch ist es gerade dieser Aspekt, der unsere Software oft überladen und unverständlich wirken lässt. Aus diesem Grund gestalten gute Designende Software und Oberflächen nach der Methode des User Centered Experience Design. Der User, also der Nutzende steht im Zentrum der Nutzungserfahrung – alles orientiert sich nach ihm und bezieht sich auf seine Bedürfnisse und/oder den zu erledigenden Arbeiten. Es gibt zahlreiche Ansätze, wie nutzungszentriertes Design funktioniert – doch ich möchte im Folgenden ausschließlich Punkte ansprechen, die mir persönlich in den letzten Jahren bei der täglichen Konzeption und Gestaltung von Software-Oberflächen hilfreich waren.

 

Jede Entscheidung der Gestaltung hat Auswirkung auf die Nutzenden

Zunächst einmal sollten wir verstehen, dass jede Entscheidung, welche wir beim Designen unserer Software-Oberflächen treffen, Auswirkung auf die Nutzenden hat. Dies klingt im ersten Moment relativ banal, doch sehen wir im Eifer des Gestaltens viele Lösungsansätze, die für uns als selbstverständlich gelten, fälschlicherweise auch als selbstverständlich für den Nutzenden an. Um zu verstehen, was die Anwendenden benötigen, müssen wir natürlich in aller erste Linie mit ihnen sprechen und uns im zweiten Schritt in ihre zu erledigenden Arbeiten hineinversetzen. Prof. Wolfgang Henseler spricht in diesem Zusammenhang von einem Handlungsmodell, das uns Menschen innewohnt und uns bei der Gestaltung von Software unterstützen kann. Das so genannte OSIT-Modell, welches wir täglich tausende Male nutzen, um unseren Alltag effektiv und effizient zu durchlaufen.

 

OSIT-Modell

O = Orientieren

S = Selektieren

I = Informieren

T = Transagieren

Doch was ist im Detail damit gemeint? Wir Menschen denken und bestreiten unser gesamtes Leben in Handlungen – Minute für Minute. Wir wachen am Morgen auf, schauen auf den Wecker, setzen uns auf’s Bett, stehen auf und haben das OSIT-Modell bereits mehrere Male angewandt. Alle Handlungen, die wir vollziehen, laufen nach dem selben Muster ab. Wir orientieren uns, selektieren die Umgebung auf Relevantes, informieren uns zu Relevantem und treffen aufgrund dessen die Entscheidung zu transagieren respektive die relevante Aktion durchzuführen. Beim Kaffeetrinken, beim Autofahren, beim Arbeiten, beim Besuch des Meetingraums, beim Einkaufen, beim Kochen, usw. – ich denke es wird deutlich, was gemeint ist. Dieses menschliche Handlungsmodell beschreibt Henseler als OSIT-Modell und versucht das Prinzip des Orientierens, Selektieres, Informierens und Transagierens auf das Software Design zu übernehmen.

 

Handlungsmodell und Systemmodell in Einklang miteinander bringen

Nun sollte es die Aufgabe eines jeden Designenden sein – übrigens jedes Produktdesignenden, egal ob aus dem Bereich des Industrial Design oder dem Interface- und Interaction Design – das menschliche Handlungsmodell auf das Systemmodell des Produkts zu adaptieren. Erst wenn Systemmodell und Handlungsmodell im Einklang miteinander sind, kann eine intuitive und nutzungszentrierte Gestaltung entstehen. Das Systemmodell des Produkts respektive der Software meint in diesem Zusammenhang, wie die visuelle Anmutung der Oberfläche mit der Struktur und Gliederung der Information sowie mit der Art der Interaktion in Beziehung zueinander steht. Bilden Systemmodell der Software und Handlungsmodell des Menschen »nur« eine Schnittmenge miteinander, ist die zu nutzende Oberfläche mehr oder minder intuitiv. Besteht gar keine Schnittmenge von System- und Handlungsmodell wird dem Nutzenden das Handling mit der Software massiv erschwert, was zu den bekannten Usability-Problemen führt. Bei bereits bestehender Software können ebenso nur Teilbereiche ein fehlendes Mapping mit dem Systemmodell aufweisen, es muss nicht immer die gesamte Anwendung sein, dies gilt es vorab zu untersuchen. Für komplexe Software Tools bietet es sich daher an, einzelne Bereiche oder Seiten schrittweise zu optimieren. Die nachfolgenden Fragen unterstützen uns bei der Anwendung des OSIT-Modells und somit bei der Konzeption und Gestaltung unserer Software Apps:

 

  • Besteht (noch) die Möglichkeit der Orientierung/Übersicht, oder werde ich als Nutzender durch irgendwelche Störfaktoren in meiner Orientierung beeinflusst?
  • Ist das Feature in der richtigen Hierarchie meiner Anwendung verortet?

 

  • Durch welche Art der Interaktion kann die Selektierung stattfinden?
  • Unterscheidet sich die Selektierung inhaltlich und strukturell von der Übersicht?

 

  • Ist die Information vorhanden, die im Moment benötigt wird?
  • Oder sind noch andere Angaben vorhanden, welche die Information wieder entkonkretisieren?
  • Führt die Information tatsächlich und eindeutig zur anschließenden Transaktion?

 

  • Ist die Transaktion eindeutig?
  • Kann ich als Nutzender den zu erledigenden Task ausführen etc.?
  • Bekomme ich nach erfolgreicher Transaktion ein Feedback?

 

Direkte Zielerreichung  –  Das Ziel aller Nutzenden

Aus dem Artikel haben wir nun mitgenommen, dass wir Menschen immer einen konkreten Handlungswunsch haben und immer direkt zum Ziel respektive zum Handlungsabschluss gelangen möchten – wir möchten keine Umwege gehen. Wir sind bequem und möchten unsere Handlungen effektiv und effizient umsetzen. Wenn wir einen Raum betreten, machen wir schließlich keinen Abstecher um das Haus herum. Adaptiert auf das Software Design heißt dies, dass wir Klick- und Interaktionswege reduzieren müssen. Dass wir Um-Die-Ecke-Lösungen gänzlich vermeiden sollten. Und, dass wir die Inhalte unserer Anwendung idealerweise in mehrere kleine Pakete strukturieren, als das wir den Nutzenden mit Möglichkeiten überfluten. Hierbei können uns weitere Fragen bei der nutzungszentrierten Gestaltung von Oberflächen hilfreich sein:

  1. Welchen konkreten Handlungswunsch hat der Nutzende?
  2. Wie kann er diesen Handlungswunsch möglichst genau und in einer angemessenen Zeit erreichen?
  3. Wie kann ich als Gestaltender Hindernisse beseitigen, um eine Zielerreichung für ihn noch direkter zu ermöglichen und diese zu beschleunigen?

Im Grunde müssen wir uns als Gestaltender von Software und App Services immer wieder auf den Menschen mit seinen instinktiven Handlungsmustern besinnen. Viel zu oft fokussieren wir uns auf das Feature, das eingebaut werden muss. Es geht aber nicht um das Feature, sondern wie das Feature dem Nutzenden zugänglich gemacht wird. Deshalb bestimmt das Handlungsmodell des Nutzenden das Systemmodell der Software und nicht umgekehrt. Nur so versteht der Nutzende, was ihm hier vorgelegt wird und wie er es verwenden soll.

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